Pieve Santa Restituta in Montalcino ist der kleinste Erzeugerbetrieb von Angelo Gaja, dem vielleicht ungekrönten „Winzerkönig“ Italiens.
Angelo Gaja liebt diesen Ort, weil er im Vergleich zu seinem Weingut in Piemont so wild erscheint. Der Winzer hat daher im Jahre 2011 in der zu der norditalienischen Weinregion zählenden Landschaft Langhe ein Programm zur Anpflanzung von Zypressen gestartet. Damit verband er die Hoffnung, der seit einem Jahrhundert im Piemont bestehenden Monokultur aus Reben mit persönlichem Einsatz begegnen zu können. Bäume würden Vögeln, Kleinsäugern und Insekten eine Heimat bieten und mehr Leben in die Weingärten bringen, war seine Überlegung. Solche Gedanken muss sich Gaja in seinem Weingut Pieve Santa Restituta eher nicht machen, da dort ganz andere landwirtschaftliche Bedingungen herrschen.
Seit 1972 baute der lombardische Bauunternehmer Roberto Bellini den Landsitz Pieve Santa Restituta zu einem Winzerbetrieb mit großem Potenzial auf. Doch nachdem sich im Frühjahr 1994 Angelo Gaja als Teilhaber in das Weingut eingekauft hatte, ist der zu den international bekanntesten Vertretern der italienischen Weinwirtschaft zählende Rebenzüchter heute alleiniger Inhaber des im Südwesten von Montalcino gelegenen Besitzes. Das historische Anwesen hat seinen Namen von der gleichnamigen Pfarrkirche aus dem 17. Jahrhundert, die auf dem Betriebsgelände steht und ein hervorragendes Beispiel für die mittelalterliche Architektur und Kunst ist. Einem von der Familie Gaja ins Leben gerufenen Projekt ist es zu verdanken, dass dieses schöne Gotteshaus restauriert werden konnte. Der Geschichte der „Pieve“ wird auf den Etiketten der Gutsweine heute immer noch Rechnung getragen.
Um seinen kleinsten Winzerbetrieb in Ordnung zu bringen, machte der neue Gutseigner erhebliche Mittel locker. Er entfernte die internationale Sorte Cabernet Sauvignon aus den Weinbergen und entschied sich anders als in seinen anderen Ländereien ausnahmslos für die Paradesorte Sangiovese. Gaja ließ die Weinberge auch in erhöhter Stockdichte bepflanzen und brachte den größtenteils unterirdisch angelegten Keller auf einen zeitgemäßen Stand. „Der vollständig renovierte Keller ist nun in Betrieb, die Anfang des neuen Millenniums erneuerten Weinberge sind reif, um das Traubengut für große Weine liefern zu können“, schrieb 2012 der Gambero Rosso und nahm wieder einen Eintrag im Weinführer auf.
Das Weinsortiment von Pieve Santa Restituta ist klein, aber fein und fair gepreist. Auf einer Rebfläche von 16 Hektar in etwa 300 Meter Höhe über dem Meer werden seit 2005 mit dem „Sugarille“ aus einer Lage gleichen Namens und dem aus drei Weinbergen gewonnenen „Rennina“ nur zwei Brunelli aus jeweils den besten Trauben produziert. Gaja stellt nicht nur keinen klassischen Brunello di Montalcino her, sondern keltert auch keinen Rosso mehr, weil er glaubt, die „Baby Brunellos“ seien minderwertig und schadeten nur dem Ansehen des königlichen Weins. Nachdem die Rosso-Jahrgänge 2002 und 2003 Opfer ausgiebiger Regenfälle und großer Hitze geworden waren, verkaufte er kurzerhand die komplette Produktion.
Die aus einer Mischung von Kalkstein und Ton bestehenden Böden der Weingärten von Pieve Santa Restituta waren vor langer Zeit von Bauern, die Agrarflächen in Teilpacht betrieben, aufgegeben worden. Doch während andere Pflanzen in dem zerklüfteten und nährstoffarmen Gelände keine Lebensgrundlage hatten, entpuppten sich Grund und Boden als geradezu ideal für den Anbau von Sangiovese.
Die rund 4.000 Quadratmeter große Kellerei wurde in den bestehenden Keller integriert, um schädliche Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Der von Pieve Santa Restituta bevorzugte Stil der Weinbereitung gilt als klassisch. Besondere Sorgfalt wird von Angelo Gaja – er wird im Gut von Tochter Gaia (ihr Vorname ähnelt tatsächlich stark dem Nachnamen) unterstützt – auf die Tannin-Entwicklung, aber auch auf den Erhalt von Säure und Eleganz verwendet.
Auf den Brunello-Skandal angesprochen – einige Hersteller wurden bekanntlich des unzulässigen Verschnitts mit anderen Traubensorten angeklagt und bestraft -, reagiert der renommierte Weinbauer diplomatisch. Er wolle sich dazu nicht äußern, sagt er. Doch Gaia bemerkt, ihr Vater sei Pragmatiker und verstehe es, wenn Winzer der Versuchung nicht widerstehen könnten. Er sei aber davon überzeugt, dass jeder Weinbauer die strengen Regeln befolgen sollte. Als überzeugter Anhänger der Tradition, sei er kein Befürworter von Empfehlungen, die Vorschriften für die Brunello-Herstellung zu ändern, so die Winzer-Tochter weiter.